Rainer Maria Rilke

23. September 2018

 

Heute zum (kalendarischen) Herbstanfang möchte ich gern vier Gedichte von Rainer Maria Rilke vorstellen. Es sind dies zwei Gedichte, die er im Herbst 1902 in Paris und zwei Gedichte, die er - ebenfalls jeweils im Herbst bzw. Spätherbst - zu Ende des 19. Jahrhunderts in Berlin geschrieben hatte.

 

Es ist oft eine Geschichte für sich, wann und wo ein Dichter seine Gedichte schreibt. Beim Gedicht „Herbsttag“, das hier als erstes vorgestellt wird, hatte ich bei den von mir dazu angeschauten YouTube Videos weder Ort noch Zeit gefunden, zu denen es geschrieben worden war. Das wollte ich aber unbedingt wissen. Dann entdeckte ich, dass bei Wikipedia allein über dieses Gedicht eine eigene Seite existiert, und es gibt dort auch einen Hinweis über die Umstände und auf Ort und Zeit der Entstehung des Gedichtes. Das habe ich nun hierher übernommen, und es ist darunter in „Herbsttag“  zu finden.

 

Den Text der vier Gedichte habe ich jeweils, hintereinander geschrieben, hier mit hinein genommen.    

 

  

 

Herbsttag

 

https://www.youtube.com/watch?v=x-MwVjggIcE

 

 

Text: Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren laß die Winde los. Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein; gib ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin, und jage die letzte Süße in den schweren Wein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

 

Im Herbst 1902 hatte Rilke seine Frau, die Bildhauerin Clara Westhoff, in Berlin zurückgelassen und war nach Paris gezogen, wo er an einer Monographie über den Bildhauer Auguste Rodin arbeitete. Diese verschiedenen für Rilke eher negativen Umstände können bei der autobiographischen Deutung von Wichtigkeit sein. In dieser Zwischenzeit hatte er auch das Gedicht geschrieben.

 

Entnommen von: https://de.wikipedia.org/wiki/Herbsttag

 

 

Eine wundervoll stille, ruhige Rezitation, begleitet von je einem Bild dreier berühmter Maler. Sehr schön.

 

 

Bilder: Gauguin, Paul - Ernte in der Bretagne; Pissarro, Camille - Ernte; Turner, Joseph Mallord William - Cassiobury Park – Ernte

 

 

 

Herbst

 

https://www.youtube.com/watch?v=VWbqOK-TTyo

 

 

Text: Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; sie fallen mit verneinender Gebärde. Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit. Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen. Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.

 

Geschrieben in Paris am 11. 09. 1902

 

Ruhige, schöne Rezitation, begleitet von Herbstbildern des Malers Camille Pissarro.

 

Bilder: Camille Pissarro

 

 

 

Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz

 

https://www.youtube.com/watch?v=o8Ct4QSRXLM&t=12s

 

Text: Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz, an dem wir reiften, da wir mit ihm rangen; du großes Heimweh, das wir nicht bezwangen, du Wald, aus dem wir nie hinausgegangen, du Lied, das wir mit jedem Schweigen sangen, du dunkles Netz, darin sich flüchtend die Gefühle fangen. Du hast dich so unendlich groß begonnen an jenem Tage, da du uns begannst, - und wir sind so gereift in deinen Sonnen, so breit geworden und so tief gepflanzt, dass du in Menschen, Engeln und Madonnen dich ruhend jetzt vollenden kannst. Lass deine Hand am Hang der Himmel ruhn und dulde stumm, was wir dir dunkel tun.

Geschrieben am 26. September 1899, Berlin-Schmargendorf

 

Von einer Rezitatorin schön vorgetragen. Jedoch fängt das Video mit Reklame und nicht ganz vorne an, was ärgerlich ist. So sollte sich der/die Zuhörende und Zuschauende  die Mühe machen, das Video anzuhalten und es mit der Maus noch einmal zum Anfang zurückzusetzen, (Schieberegler betätigen). Dann ist es wunderschön anzuhören, und auch die das Gedicht begleitenden Herbstbilder und die Musik sind sehr eigen und sehr schön.

 

 

 

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort

 

https://www.youtube.com/watch?v=UBCAPL2a3ZY

 

Text: Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort. Sie sprechen alles so deutlich aus: Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus, und hier ist Beginn und das Ende ist dort. Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott, sie wissen alles, was wird und war; kein Berg ist ihnen mehr wunderbar; ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott. Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern. Die Dinge singen hör ich so gern. Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm. Ihr bringt mir alle die Dinge um.

Geschrieben am 21. November 1898, Berlin-Wilmersdorf

 

Sehr schöne Rezitation mit begleitenden Bildern des Malers Felix Nussbaum. Ein Innehalten und Nachdenken bietet sich für die Hörenden und Betrachtenden geradezu an!  Die Bilder des Surrealisten Felix Nussbaum sind so eindrucksstark, dass ich über diesen Maler noch mehr wissen wollte, was heute dank Google und Wikipedia ein Leichtes geworden ist.  

 

Bilder: Felix Nussbaum

 

 

Ich wünsche meinen Webseite-Besucher*innen viel Freude und vielleicht auch einmal ein Innehalten-Können beim Anhören und Anschauen dieser vier Videos mit Gedichten von Rainer Maria Rilke.  

 

 

 

Obiges Bild: Rainer Maria Rilke

 Von der Malerin Paula Modersohn-Becker

 Public domain via Wikimedia Commons

 

This photographic reproduction is therefore also considered to be in the public domain in the United States.

 

 

 

 

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